Fünfzehntes Kapitel


Schaikh Muhammad Ibn Abd al Wahhab

Der Unterschied zwischen der Hilfesuche bei einem lebenden, anwesenden Menschen, welcher in der Lage ist zu helfen und der Hilfesuche bei denen, die diese Bedingungen nicht erfüllen

 

Ein weiteres Scheinargument der Polytheisten basiert auf der Mitteilung des Propheten, Allahs Segen und Heil auf ihm, daß die Menschen am Jüngsten Tag Adam, dann Noah, dann Abraham, dann Moses, dann Jesus zu Hilfe rufen, und daß all diese Propheten sich entschuldigen. Die Menschen wenden sich sodann dem Propheten, Allahs Segen und Heil auf ihm, zu. Sie sagen: "Dies beweist, daß der Hilferuf an jemand anderen außer Allah nicht Polytheismus ist."

 

Die Antwort darauf ist, daß wir sagen: Gepriesen sei Allah, der die Herzen seiner Feinde versiegelt. Der Hilferuf an ein Geschöpf in einer Angelegenheit, die es tun kann, wird von uns nicht abgestritten. In der Geschichte über Moses sagt Allah: "Jener, der von seiner Partei war, rief ihn zu Hilfe gegen den, der von seinen Feinden war. " [Sura 28:15]

Man ruft auch seine Freunde in der Not oder in anderen Situationen zu Hilfe, und zwar in Dingen, die ein Geschöpf bieten kann. Wir streiten aber den Hilferuf als Anbetung ab, den sie an den Gräbern der Rechtschaffenen oder in deren Abwesenheit ausüben, und zwar für Dinge, die nur Allah die Macht hat.

Wenn dies so ist, dann rufen die Menschen am Jüngsten Tag die Propheten nur zu Hilfe, um diese darum zu bitten, daß Allah zur Abrechnung mit den Menschen aufruft, damit die Bewohner des Paradieses sich von der Qual der Situation ausruhen. Dies ist zulässig im Diesseits und im Jenseits. Du kommst zum Beispiel zu einem aufrichtigen und lebenden Mann, der dir Gesellschaft leistet und auf dich hört, und sagst ihm: "Bete[1] Allah für mich an." Die Gefährten des Propheten haben auch den Propheten zu seinen Lebenszeiten um solche Gefallen gebeten.

 

Aber nach seinem Tod dem ist es fern von ihm, daß sie ihn an seinem Grab um so etwas gebeten haben. Im Gegenteil: Die Rechtschaffenen Vorfahren verboten es, daß jemand Allah am Grab des Propheten anruft, geschweige denn, daß jemand den Propheten selbst anruft.

 

Ein weiteres Scheinargument der Ungläubigen basiert auf einer Erzählung über Ibrahim. Aus dieser Erzählung geht hervor, daß als Ibrahim ins Feuer gelegt wurde, Gibril in der Luft erschien und ihn fragte: "Hast Du einen Wunsch? Ibrahim antwortete: "Von dir nicht." Die Ungläubigen sagen hierzu: "Sollte die Hilfesuche Polytheismus sein, so hätte Gibril sie Ibrahim nicht angeboten." Die Antwort dazu: Diese Behauptung ist von der Art der Vorangegangenen. Gabriel, von dem Allah sagt: "der über starke Macht verfügt" [53:5] hatte nur jene Hilfe angeboten, die er leisten kann. Hätte Allah ihm erlaubt, daß Feuer, in dem Ibrahim lag, sowie das was das Feuer an Bergen und Erde umgab, wegzunehmen, und in den Osten oder in den Westen zu werfen, hätte er dies getan. Und wenn er ihm befohlen hätte Ibrahim an einen fernen Ort zu bringen, dann hätte er dies getan. Selbst wenn Allah ihm befohlen hätte Ibrahim in den Himmel zu bringen, dann hätte er dies getan.

 

Diese Situation ähnelt dem Beispiel eines sehr reichen Mannes, der einem armen Mann begegnet und ihm Geld ausleihen oder schenken will, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Der arme Mann jedoch lehnt dieses Angebot ab und geduldet sich bis Allah ihm Lebensunterhalt schenkt, ohne dabei von Geschenken eines anderen abhängig zu sein. Dies, wenn die Ungläubigen doch Verstand annehmen würden, ist nicht mit dem Hilferuf durch Anbetung oder Polytheismus zu vergleichen.



[1] Hier ist das Bittgebet (Du'a) gemeint.

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